Neue Orte sind gruselig

Not macht erfinderisch
– Mika –
Mikas Stresslevel nahm auch nicht ab, als er älter wurde. Er konnte sich zwar irgendwann im Getümmel der Stadt, inmitten von Autos, Menschen und Krach, ganz gut zurechtfinden – in neuen Situationen und ihm unbekannten Umgebungen war er aber dennoch immer gestresst. Und er äußerte das laut.
Problematisch war das immer dann, wenn wir mit ihm am Wochenende zu meinen Eltern oder den Eltern meines Partners fahren mussten. Gerade die ersten Besuche waren geprägt von unheimlich viel Unruhe, die Stress bei mir und gefühlt allen Beteiligten verursachte, von Übersprungshandlungen – bei Mika ist das fast immer Bellen oder Kratzen – und von viel Gewinsel.

Wir konnten selbstverständlich nicht aufhören, unsere Familien zu besuchen und Mika zu Hause zu lassen, war eben auch keine Option. Ein Welpe bzw. Junghund versorgt sich 48 Stunden lang nicht besonders gut alleine.. 😉
Mika musste also mit und es war gefühlt jedes Mal ein Kampf!
Nach etlichen Besuchen und einer immer wieder stattfindenden Eingewöhnung, sah Mika irgendwann das Zuhause unserer Eltern nicht mehr als fremd an. Mittlerweile sind Besuche bei den Eltern schon seit einiger Zeit kein Problem mehr. Mein Elternhaus ist zu Mikas zweitem Zuhause geworden, er liebt ‘seinen’ Garten und freut sich immer wie ein Wahnsinniger auf meinen Vater.
Aber neue Orte waren nach wie vor ein Problem!
Neue Orte waren immer noch schwierig für Mika. Fiepen, Bellen, Unruhe standen auf der Tagesordnung, wenn wir Freunde besuchen oder mal wegfahren wollten. Das war alles immer machbar, mit Geduld, einer gewissen Stressresistenz und Durchhaltevermögen. Mika musste im Grunde einfach einmal verstehen, dass die Ferienwohnung nun unser “neues Zuhause” war und wir so schnell nicht wieder gehen würden.
In mir verursachte der Gedanke an meinen unruhigen Hund aber natürlich trotzdem Stress. Gedanken wie “Was denken bloß die Vermieter, wenn ich mit so einem unerzogenen, bellenden Hund da ankomme?” oder “Ich kann doch nicht mit Freunden wegfahren, die werden alle total genervt sein von Mika.” standen vor solchen Trips auf der Tagesordnung. Wir verreisten deshalb vor allem allein oder mit den wenigen Hundefreunden, die wir damals hatten bzw. mit denen wir verreisen konnten. Einige meiner Freunde haben und hatten selbst nicht ganz einfache Hunde, die nicht unbedingt mit Mika kompatibel gewesen wären auf so engem Raum.
Der Aha-Moment
Mein persönlicher Aha-Moment kam, als ich eines Tages – nach der Trennung von meinem damaligen Partner, mit dem ich Mika gekauft hatte – plötzlich die erste Reise allein mit Hund unternehmen sollte. Und auf dieser Reise gab es einen Pflichttermin – ohne Hund – am Abend der Anreise.
Ich hatte bisher gelernt, dass Mika sich immer nach einer Weile pudelwohl fühlte. Er musste eben einfach verstanden haben, dass der neue Ort das neue Zuhause war. Danach war alles okay und wir konnten ihn sogar ihn Ferienwohnungen oder Hotels stundenweise alleine lassen. Nur am ersten Abend war das eben nicht möglich. Er hätte alles auseinander genommen oder die ganze Wohnung zusammengebellt.

Ich war also ordentlich nervös, weil ich diesen Geschäftstermin auf jeden Fall wahrnehmen musste, weil ich den Hund auf keinen Fall das Zimmer demolieren lassen wollte und weil ich natürlich sichergehen wollte, dass Mika nicht stundenlang unter akutem Stress alleine irgendwo ausharren musste.
Meine Eltern waren an dem Wochenende nicht verfügbar, eine Betreuung durch meinen Ex-Partner war nun auch nicht mehr möglich. Es musste also eine Lösung her.
Den Tag zur Nacht machen
Mika konnte nach der ersten Nacht problemlos alleine bleiben. Nur hatte ich eben diese erste Nacht diesmal nicht. Es musste sofort klappen. Ohne Stress. Ohne Bellen. Ohne Tra-Ra.
Die einzige Lösung, die mir damals einfiel, war es, den Tag zur Nacht zu machen. Vor meinem Termin hatte ich etwa drei Stunden in der Ferienwohnung. Direkt nachdem ich ankam, kippte ich also meinen Koffer auf dem Boden der Ferienwohnung aus und begann, so viel Zeug von mir im Raum zu verteilen, wie ich konnte. Danach dunkelte ich alle Fenster ab, legte mich ins Bett & “schlief”. Mika schien verdutzt, war wie üblich unruhig und legte sich dann aber nach gut 10 Minuten selbst auch hin. Ich verharrte in dieser “Schlafposition” gute 30-40 Minuten, hatte kein Handy und kein Buch. Ich tat wirklich so, als würde ich schlafen. Und Mika schlief tief und fest.
Er blieb ruhig liegen, während ich mich für den Termin fertig machte, kam kurz mit zur Tür, als ich ging und wackelte mir verschlafen entgegen, als ich nach meinem Termin wiederkam. Ohne Stress hatte das wunderbar geklappt. Es hatte nur etwas Phantasie gebraucht.
Seitdem machen wir es eigentlich immer so, dass ich mich nach Ankunft zunächst hinsetze oder hinlege. Ich kann mittlerweile ein Buch lesen, mit dem Handy beschäftigt sein oder telefonieren. Wichtig ist nur, dass Mika signalisiert bekommt, dass jetzt erstmal nichts geschieht und wir “angekommen” sind. Das war aber ein Prozess. Die ersten gemeinsamen Reisen zu Zweit haben eine lange Zeit über mit dem Schlafen-Ritual begonnen, um mir und Mika den Stress zu nehmen.
Die Moral von der Geschichte
Soll sich jetzt also jeder, der mit seinem Hund verreist, nach Ankunft schlafen legen? Nein, sicher nicht. Das würde bestimmt nichts bringen.
Was ich gelernt habe durch dieses Experiment: Es lohnt sich, auf die Muster seines Hundes zu achten, zu analysieren, was ihm in welchen Situationen hilft und zu verstehen, warum ihm bestimmte Signale, Verhaltensweisen und Dinge gut tun. Nur, wenn man ein Verständnis davon hat, wie der eigene Hund tickt, was er braucht und wann er sich unwohl fühlt, kann man ihm den Stress und das Unwohlsein nehmen, indem man gezielt diese Signale, Verhaltensweisen und Dinge nutzt, die ihm gut tun.
Achtet auf euch und eure Hunde. Das Leben ist nicht immer leicht und man kann den Hund nicht vor allen stressigen Situationen schützen, ohne sich selbst völlig aufgeben zu müssen. Aber man kann stressige Situationen für seinen Hund leichter gestalten und ihm dabei helfen, dass diese Situationen allmählich weniger Stress für ihn bedeuten. Denn Stress macht krank. Nicht nur uns Menschen…
Never overlook the littlest things that can mean pure happiness to someone else.
Mischa Temaul
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